Schon aus der Schützenchronik von Gengler muss man entnehmen, dass die Erlangung der Vogelkönigswürde mit Unkosten verbunden war. So gab der Vogelkönig der Altstädter Schützen seine Gabe zum Endschießen an Michaeli, ohne dass Gengler den Gegenstand dieser Gabe näher erläutert.
Seit Bestehen der Deutschen Schützenkompagnie in der Neustadt musste der Vogelkönig ein silbernes Schildlein von wenigstens zwei Lot (=ca. 35 g) der Schützenkompagnie schenken. Ab 1743 musste der Vogelkönig stattdessen drei Gulden* in die Schützenlade legen. 1751 genehmigte die Amtshauptmannschaft, Vogelzug und Vogelschießen abzuschaffen und stattdessen ein Scheiben-schießen zu veranstalten. Aber schon 1759 wurde wieder ein Vogelschießen genehmigt, allerdings unter der Bedingung, dass der Vogelkönig nicht verpflichtet ist, ein Königsschießen zu geben. Ein Hinweis auf eine frühere Verpflichtung des Vogelkönigs, die Schützen auf seine Kosten zu bewirten.
Vom Vogelkönig der Französischen Schützenkompagnie wird berichtet, dass dieser ab 1712 nicht nur ein Jahr lang von Abgaben befreit war, sondern zusätzlich noch 4 Gulden zur Bestreitung seiner Kosten erhielt, die 1732 sogar auf 15 Gulden erhöht wurden. Es scheint, dass sich der Vogelkönig der Französischen Schützenkompagnie in der bequemsten Lage befand.
Welche finanziellen Erwartungen die Schützengesellschaft nach ihrer Vereinigung 1864 an ihren Vogelkönig stellten, darüber sagt Gengler nichts aus. Wenn wir aber lesen, dass Franz Löslein, der Vogelkönig von 1911, eine silberne Kette für den Adler, das Amtszeichen des Vogelkönigs, stiftete, dann ist zu vermuten, dass auch nach 1864 die Vogelkönige sich großzügig zeigten. Diese Groß-zügigkeit ist nach dem 2. Weltkrieg offensichtlich nicht abgerissen, hat aber insofern zu Problemen geführt, als der eine oder andere Vogelkönig es darauf anlegte, seinen Vorgänger zu übertreffen. Die Folge war, dass es gelegentlich an Bewerber um das Amt des Vogelkönigs mangelte. Hatte das Schützenmeisteramt noch 1950 durch Beschluss einen ziemlich umfangreichen und auch nicht ganz billigen Pflichtenkatalog für den Vogelkönig aufgestellt, sah es sich 1971 gezwungen, durch Beschluss der Generalversammlung die finanziellen Pflichten des Vogelkönigs auf 2.000 DM zu begrenzen.
Die hoffentlich einmalige Vakanz des Jahres 2015 verlangt nach Ursachenforschung. Gerhard Kammerer vertritt im Blattl 3/2016 die Ansicht, dass die Verweigerungshaltung der Schützen beim Vogelschießen 2015 nicht durch die finanziellen Verpflichtungen, sondern den zeitlichen Aufwand für Repräsentationspflichten des Vogelkönigs begründet sei. Er versucht, dies damit zu belegen, dass die meisten Vogelkönige der jüngeren Vergangenheit selbstständige Unternehmer waren, die über ihre Zeit freier verfügen konnten als Arbeitnehmer. Dem ist zwar zuzustimmen, es darf aber nicht übersehen werden, dass, jedenfalls gegenwärtig noch, der selbstständige Unternehmer in aller Regel finanziell unabhängiger ist, als ein in abhängigem Beschäftigungsverhältnis Stehender. Hinzu kommt der Wandel in der soziologischen Zusammensetzung der Gesellschaft, der sich auch in unserer Schützengesellschaft widerspiegelt. Der Anteil der selbstständigen Unternehmer in der Bevölkerung ist rückläufig. Die Frage der finanziellen Belastung des Vogelkönigs wird deshalb auch in Zukunft eine Rolle spielen. Ein Beschluss zur finanziellen Entlastung des Vogelkönigs reicht nicht aus. Notwendig ist ein Bewustseinswandel in der Gesellschaft dahingehend, dass das Vogelschießen nicht die Veranstaltung eines oder einiger weniger Mäzene der Gesellschaft ist, sondern ein Fest der gesamten Mitglieder.
Die der Schützentradition sich verpflichtet fühlenden Mitglieder haben in der Vergangenheit mit ihrem Mäzenatentum immer auch den Schießsport unterstützt. Heute steht die Schützentradition vor einer Durststrecke, in der es erforderlich ist, dass die Sportschützen die Tradition hochhalten.
* nach heutiger Kaufkraft 150 – 200 €.